Knochenklang und Orgelwind


  • Knochenklang und Orgelwind

 

Friedrich Brandtner entdeckte im Jahr 1994 im Grubgraben bei Hadersdorf-Kammern das wohl älteste bisher bekannte Musikinstrument Österreichs, eine ca. 19 000 Jahre alte Knochenflöte. Der rechte Schienbeinknochen (Tibia) eines jungen Rentierweibchens weist drei kreisrunde, konische Bohrungen auf. Nur das Mittelstück blieb erhalten. Ursprünglich dürfte die Flöte eine Länge von 220mm gehabt haben.

 

Der Prähistoriker Thomas Einwögerer wollte wissen, wie dieses Instrument geklungen hat und rekonstruierte das Steinzeitinstrument aus einem Hirschknochen. Dabei stellte sich heraus, dass besonders das Bohren der Löcher mit erheblicher Mühe verbunden war. "Knochenklang" ist der Titel einer CD, die von der Musikwissenschaftlerin Bernadette Käfer unter anderem mit eben diesem nachgebauten Instrument eingespielt wurde.

 

Die Hörproben vermitteln einen Eindruck davon, wie die Musik aus dem Paläolithikum geklungen haben mag. So oder so ähnlich müssen sie sich angehört und angefühlt haben, die Pausen im Überlebenskampf der frühen Menschen, die in Höhlen gehaust und das Mammut gejagt haben.

 

Die Flöte gilt aber nicht als erstes Musikinstrument der Menschheit. Ihre Herstellung war dafür viel zu aufwendig. Am Anfang der Musik war die Stimme. Das Auftreten der Sprache beim Homo sapiens sapiens war wohl auch die Geburtsstunde der Musik. In der Nachahmung von Tierlauten und Klängen, die unsere Vorfahren in der Natur vorfanden, vollzog sich eine erste Selbstreflexion, sodass gesagt werden kann, dass mit der Sprach- und Bewusstseinsentwicklung auch das Empfinden für Musik entstand.

 

Schwirrhölzer und Trommeln gelten als die ersten vom Menschen erschaffenen Klangkörper. Es wird angenommen, dass sie vor allem zu schamanistischen Ritualen herangezogen wurden. Die Knochenflöte vom Grubgraben ist im Vergleich dazu ein kompliziertes, ausgefeiltes Ding.

 

Glücklicherweise wurde in diesem Fall ein Rentierknochen verwendet. Ihre Vorläufer waren ziemlich sicher aus Holz geschnitzt, und so dürfen wir sie heute noch bestaunen. Wer sie aus nächster Nähe betrachten will, der sollte dem Urgeschichtsmuseum in Aspern an der Zaya einen Besuch abstatten.

 

Die Flöte, insbesondere die Blockflöte gilt als Einsteigerinstrument im Musikunterricht. Sie deswegen gering zu schätzen wäre ein Fehler, denn auch die Königin der Musikinstrumente, die Orgel, folgt im Grunde genommen demselben Prinzip. Während es bei der Knochenflöte eine einzige Luftsäule ist, die durch den Atem in Schwingungen versetzt wird, sind es bei der Orgel viele solcher aufeinander abgestimmten Luftsäulen, die in den Orgelpfeifen mechanisch durch blasebalgähnliche Apparaturen erzeugt werden.

 

Der Jäger aus der Eiszeit gebrauchte seine Lungen um Luft in einen durchlöcherten Schallkörper zu blasen, er setzte seine Fingerkuppen ein, um das Luftvolumen zu erhöhen oder zu verringern. Der Orgelbauer der Neuzeit ersann ein ausgeklügeltes Konstrukt, bestehend aus unterschiedlich großen Hohlkörpern und jagte die Luft mittels einer mechanischen Apparatur beachtlichen Ausmaßes durch die Pfeifen, die mit beweglichen Klappen versehen waren.

 

Die Laurentiuskirche im nahen Langenlois beherbergt die nach ihrem Erbauer benannte Mauracher Orgel. Nicht nur Gebäude werden kollaudiert, sondern auch Orgeln, was in diesem Falle durch keinen Geringeren als Anton Bruckner geschah.

 

Am 21. Juni 1874 fand sich der herausragende Komponist und Orgelvirtuose in der Pfarrkirche der Weinbaugemeinde ein und setzte sich an den Spieltisch des Instrumentes, nachdem er prüfende Blicke auf die Ausführung und Beschaffenheit der Klangmaschine geworfen hatte. Vor allem aber spielte er in einer derart hinreißenden Art und Weise, dass die Erinnerung daran bis heute nicht verblasst ist. Wahrscheinlich waren es Tage wie dieser, die seinen Ruhm als "Musikant Gottes" begründeten.

 

Der ausgehöhlte Knochen aus dem Grubgraben, der drei Löcher ausweist, war kein Werkzeug. Musik gilt zwar als essentielle kulturelle Errungenschaft, hat aber, objektiv gesehen, keinen unmittelbaren Nutzen.

 

Immer schon hat der Mensch Dinge geschaffen, die keinen bestimmten Zweck erfüllten. Er malte die Umrisse der von ihm bejagten Tiere auf Höhlenwände, schnitzte aus den Knochen erlegter Tiere die ersten Musikinstrumente, oder schuf kleine feiste Frauenplastiken, die uns bis heute Rätsel aufgeben.

 

Gastkommentar: Robert Haderer,  Auszug aus seinem  Buch: Der Manhartsweg

Musik: Knochenklang: CD   "Klänge Aus Der Steinzeit"   Ich habe ein Lied, "Dance Around the Fire" ausgewählt und dazu ein Video  gemacht.

 

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