Victor Zuckerkandl und seine Sichtweise über die Musik

  • Wer war Victor Zuckerkandl?   

 

Diesmal möchte ich eine andere, sehr wichtige Person die mein Verständnis in der Musik geprägt hat vorstellen, Victor Zuckerkandl.

 

Er war ein österreichischer Musikwissenschaftler und ein großer Musikdenker.

 

"In den Tönen der Musik hören wir Kräfte, deren Wirken in der Körperwelt keinerlei Spur hinterläßt". - schreibt er.

 

Neben den deutschsprachig vorliegenden Büchern "Die Wirklichkeit der Musik"  und „Vom musikalischen Denken“ die sich mehr an das Fachpublikum wenden, gibt es eine englischsprachige Publikation,  ("The Sense of Music" - Princeton 1971) die ein bedeutendes Lehrbuch  ist.

 

Zum Teil vermittelt Zuckerkandl das Allgemeinwissen, das man in allen Musiklehrbüchern nachlesen kann, allerdings in lebendiger Art und Weise.

 

Heute findet man seinen Namen im aktuellen deutschen Buchsortiment leider nicht mehr. Seine Bücher sind  nur in der Bibliotheken oder antiquarisch zugänglich.  

 

" Jeder Ton enthält so gewissermassen das ganze System in sich. Das System baut sich nicht aus Tönen auf; es geht den Tönen schon immer voran, Töne sind immer schon ein System wie Zahlen."

 

 

  • Was war sein Verdienst?

In all seinen Schriften bekennt sich Viktor Zuckerkandl zu seinem Lehrer Heinrich Schenker. Dieser Blogartikel soll zeigen, wie Viktor Zuckerkandl durch seine analytische Begabung die Theorien Heinrich Schenkers weiterentwickelt hat. 

 

Victor Zuckerkandl stellt sich die folgende Frage: 'Wie ist Musik möglich?'
Um das Wesen der Musik zu erfahren, geht er  von der Hörerfahrung des Menschen aus. Indem er Werke der großen Komponisten  analysiert, betrachtet Zuckerkandl den Ton nicht als akustisches sondern dynamisches Phänomen.

 

"Wenn wir ein Tonwerk hören, hören wir niemals bloss flächig, die Gestalt, wie sie im Vordergrund sich entfaltet; wir hören, ohne uns dessen ausdrücklich bewusst zu sein, immer auch Tiefe, die Herkunft aus dem Hintergrund."

 

Der Ton mit dynamischer Qualität besteht nur im Zusammenhang mit anderen Tönen.  Jeder Ton bezieht sich auf einen anderen Ton. Selbst in einer einfachen Tonleiter nimmt jeder Ton eine Stelle in der Ordnung ein. Dadurch drängt sich die Vorstellung eines Ton-Kraftfeldes auf. Diese dynamische Tonqualität, die physikalisch nicht messbar ist, bestimmt das musikalische Ereignis.

 

"Wenn wir ein Tonwerk hören, hören wir niemals bloss flächig, die Gestalt, wie sie im Vordergrund sich entfaltet; wir hören, ohne uns dessen ausdrücklich bewusst zu sein, immer auch Tiefe, die Herkunft aus dem Hintergrund."  - schreibt Zuckerkandl.

 

In der Musik wird die fließende Zeit auch als Bewegung wahrgenommen. Die musikalische Bewegung unterscheidet sich von jeder körperlichen Bewegung, denn der Ton ist nicht an Dinge gebunden.

 

"In der Struktur des Musiktons ist die Struktur des Zeitflusses hörbar geworden, der Ton, in seiner dynamischen Qualität, ist Klang gewordene, in Klang verwandelte Zeit."

 

Zuckerkandl ist überzeugt, dass der Mensch die musikalische Bewegung nur aufgrund der dynamischen Tonqualität wahrnimmt. Wenn der Mensch singt, kann er die Töne mit dem Ohr wieder wahrnehmen und in sich aufnehmen.

 

Diese Hörerfahrung von-außen-her hebt die Teilung der Welt in eine Innen- und Außenwelt auf.  Viktor Zuckerkandl hat stets versucht, die grossen Musikwerke als Ton-Organismen höchster künstlerischer Qualität zu verstehen.

 

"Keime sind Potenzen, ungeheure Potenzen, nicht Miniaturmusikstücke."

 

Es geht ihm nicht darum, das Geheimnis eines Tonkunstwerkes zu erklären, sondern das Wunder des Entstehens zu verstehen. Mit der Schichtentheorie Schenkers verdeutlicht Zuckerkandl die Entwicklung des Wachstums aus einem Keim (dieser besteht meist aus zwei Tönen), das Wirken des organischen Gesetzes in ihm und er offenbart so das Wesen und den Rang eines Kunstwerks. 

 

Der singende Mensch

Das ursprüngliche musikalische Verhältnis finden wir dort, wo die Musik nicht zu den Menschen kommt, sondern aus den Menschen: beim Volkslied.

 

Die Melodien der Volksmusik sind nicht Werke und existieren nur in der lebendigen Tradition.  Beim Singen tritt das ursprüngliche Wesen des Menschen hervorWir singen vertonte Texte. Er wird zum Menschen, der die Musik zur Selbstverwirklichung benötigt. 

 

Für Zuckerkandl hat das Lied die Kraft, zwischenmenschliche Distanzen zu überwinden und die Menschen zu vereinen.

 

Er hat erkannt, dass die Musik ein Fenster sei, das sich in der um uns geschlossenen Gegenstandswelt öffnet und durch das wir aus unserer Welt hinausschauen können.

 

"Was sonst unseren Sinnen begegnet, ist Körperwelt; durch den Musikton aber treten wir in unmittelbare Berührung mit reiner Kraft, mit unkörperlichem Geschehen außen. Das macht die Begegnung mit dem Musikton zu dem außerordentlichen Ereignis - lassen Sie es mich mit den Worten Paul Valerys beschreiben: „So herrscht denn die Musik in einem Reich, das ihr einzig angehört.“

 

Ich habe in meinen Büchern  (Musik für alle!  und Spielbuch der der Musik) diese Erkenntnisse weitgehend beachtet und einbezogen.

 

Quellen; Wikipedia,  und "Das Musikanthropologische Denken von Viktor Zuckerkandl" - Gerhard Lipp und Stefan Abel.

 

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Robert (Donnerstag, 13 Dezember 2018 11:30)

    The music is, perhaps, a sounding structure or a structured sound, indwellling in the listening mind“ (Musik ist, vielleicht, eine klingende Struktur oder ein strukturierter Klang, dem hörenden Geist innewohnend)

    John Cage, Komponist und Künstler (https://www.schulfachmusik.ch/musik-in-der-bildung/was-ist-musik)
    Ja! Was ist Musik eigentlich? Hochinteressantes Thema! Eine Frage, die mich bis heute brennend interessiert. Immerhin: Es spricht für Cage, dass er ein "perhaps" "vielleicht" einflicht .. .